Synchrotronstrahlung für die Materialanalyse

Synchrotronstrahlung wurde erstmals im Jahr 1947 in einem ringförmigen Teilchenbeschleuniger (Synchrotron) in Form eines hellen, intensiven Lichtstrahls beobachtet. In Teilchenbeschleunigern ist das Auftreten von Synchrotronstrahlung störend, da der Effekt den Energiezuwachs der Elementarteilchen limitiert. Bereits in den 1950er Jahren zeigte sich jedoch, dass Synchrotronstrahlung hervorragende Voraussetzungen für die Materialanalyse bietet. Synchrotronstrahlung lässt sich über ein sehr breites spektrales Band von der Röntgenstrahlung bis ins sichtbare Licht hinein als Strahl mit hoher Leuchtkraft (Brillanz) erzeugen und eröffnet dadurch die Möglichkeit, mit Hilfe von Monochromatoren jeweils exakt die Strahlungswellenlänge festzulegen, die für eine Untersuchung benötigt wird.

Heute wird Synchrotronstrahlung mit Hilfe von Undulatoren und Wigglern gezielt erzeugt. Diese Systeme zwingen Elektronen durch eine Abfolge starker supraleitender Magnete mit alternierender Polarität eine Wellenbewegung auf. Hierdurch entsteht eine intensive, elektromagnetische Strahlung (Synchrotronstrahlung), die mit Monochromatoren vom UV- bis in den Röntgenbereich hochpräzise abgestimmt werden kann. Damit steht eine Lichtquelle für hochauflösende Struktur- und Materialanalysen zur Verfügung.

Verglichen mit konventioneller Röntgenstrahlung besitzt die hochenergetische Synchrotronstrahlung eine Reihe besonderer Eigenschaften, die neue Untersuchungsmöglichkeiten eröffnen.

  • Die Eindringtiefe der Strahlung in praktisch allen Materialien beträgt mehrere Zentimeter. Das erlaubt die direkte Untersuchung des Inneren massiver oder gekapselter Proben sowie ganzer komplexer Baugruppen.
  • Die extrem hohe Strahlparallelität im Bereich von einigen Hundertstel Grad ermöglicht Texturanalysen mit höchstem Winkelauflösungsvermögen, z.B. in Schichten von Hochtemperatursupraleitern oder Einzelkornauflösung.
  • Die Strahlintensität, die um mehr als das Tausendfache höher ist als bei Röntgenröhren, erlaubt sehr kurze Belichtungszeiten, z. B. für die Untersuchung der Kinetik technischer Prozesse oder die schnelle zerstörungsfreie Prüfung von Werkstücken.
  • Es können extrem feine Strahlquerschnitte im Bereich einiger Mikrometer ausgeblendet werden.

 

Synchrotronstrahlung wird insbesondere eingesetzt, um

  • den atomaren Aufbau unbekannter Stoffe zu klären (Strukturanalyse)
  • die Volumenanteile verschiedener Phasen in Stoffgemischen zu bestimmen (Phasenanalyse)
  • innere Spannungen in Werkstoffen und Werkstücken zu ermitteln (Spannungsanalyse)
  • Orientierungsverteilungen der Kristallite und Richtungsabhängigkeiten von Werkstoffeigenschaften zu analysieren (Texturanalyse)
  • Untersuchung der Dynamik von Abläufen auf atomarer Ebene.