Drähte und Materialien
Die Entdeckung der Hochtemperatursupraleiter (HTS) 1986 löste intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten aus. Im Mittelpunkt standen Bismut-Strontium-Calcium-Kupferoxid (BSCCO 2223) und Yttrium-Barium-Kupferoxid (YBCO 123), die unterhalb einer „Sprungtemperatur“ von 110 K (-163°C) bzw. 92 K (- 181°C) zu widerstandslosen Stromleitern werden. Allerdings mussten grundlegend neue Verfahren entwickelt werden, um aus diesen spröden Werkstoffen flexible Drähte für die industrielle Verarbeitung herzustellen.
Für die Drahtproduktion nach dem Powder-in-tube-Verfahren werden mit Supraleiter-Pulver (BSCCO) gefüllte Silberrohre zu feinen Filamenten gezogen und gewalzt. BSCCO-Draht findet weltweit in Prototypen mit Supraleitertechnologie Verwendung. Für die meisten kommerziellen Anwendungen kann er mit einem Silberanteil von ca. 70 Prozent aber bestimmte Kostengrenzen nicht unterschreiten.
Als kosteneffiziente Alternative wurden Bänder mit supraleitender Beschichtung auf YBCO-Basis entwickelt. Mit neuen Verfahren bewältigte man nicht nur die Sprödigkeit der keramischen Leitersubstanz. Es gelang auch, in der Beschichtung alle Kristalle des Leitermaterials gleichförmig auszurichten. Dies ist entscheidend, da der Ladungstransport in Hochtemperatursupraleitern stark richtungsabhängig ist und fast ausschließlich in bestimmten Schichten ihrer Kristallstruktur erfolgt. Bereits geringe Abweichungen würden die Übertragungsleistung deutlich schmälern.
Flexible Supraleiterbänder mit hoher Stromtragfähigkeit für energietechnische und industrielle Anwendungen, aber auch quasi einkristalline supraleitende Massivteile für Magnetlager, Stromzuführungen oder Magnetfeldabschirmungen werden heute kommerziell hergestellt.
Eine Besonderheit stellen Rundleiter dar, die nur auf der Basis von BSCCO 2212 in der Entwicklung sind. Sie sind vor allem von Interesse für einen Einsatz bei tiefen Temperaturen und extrem hohen Feldern wie sie z.B. in der Kernfusion benötigt werden. Aber auch für Beschleunigermagnete in der Hochenergiephysik erscheint ihr Einsatz möglich.